Die Eulalia-Post im September 2024:
Eulalia-Post 01-09-2024
Liebe Büchermenschen,
Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar nichts geändert – und doch alles. Es geht wie ein Knack durch die Luft – es ist etwas geschehen; so lange hat sich der Kubus noch gehalten, er hat geschwankt …, na … na …, und nun ist er auf die andere Seite gefallen. Noch ist alles wie gestern: die Blätter, die Bäume, die Sträucher … aber nun ist alles anders. Das Licht ist hell, Spinnenfäden schwimmen durch die Luft, alles hat sich einen Ruck gegeben, dahin der Zauber, der Bann ist gebrochen – nun geht es in einen klaren Herbst. Wie viele hast du? Dies ist einer davon. Das Wunder hat vielleicht vier Tage gedauert oder fünf, und du hast gewünscht, es solle nie, nie aufhören. Es ist die Zeit, in der ältere Herren sehr sentimental werden – es ist nicht der Johannistrieb, es ist etwas andres. Es ist: optimistische Todesahnung, eine fröhliche Erkenntnis des Endes. Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre.
(Auszug aus „Die fünfte Jahreszeit“ von Kurt Tucholsky. Den gesamten, hinreissenden Text finden Sie hier: LINK)
Kurt Tucholsky mag ich sehr. Ein kluger Kopf, der mit viel Herzblut und vielfältigen kritischen Texten versucht hat, den nationalsozialistischen Bestrebungen seiner Zeit etwas entgegenzusetzen; und letztendlich an den Umständen verzweifelt ist. Trotzdem gibt es auch heitere Texte, sie ziehen sich durch sein gesamtes Schaffen. Zwischen all die Politik und Sozialkritik hat er menschelnde Gegenlichter gesetzt – trotz aller Melancholie tut mir dieser Text gut. Ich hoffe, Ihnen geht es genauso.
Die letzten Wochen war keine Zeit für Museumsbesuche (sie passen auch eher in Herbst und Winter finde ich) – Schulanfang ist immer eine turbulente Zeit. Als nächstes werden wir wohl ins neue Museum in Wiesbaden gehen; wir haben seit letztem Jahr verfolgt, wie es jeden Monat mehr Gestalt annahm. Im Juni wurde es eröffnet … Die Homepage macht richtig Lust aufs Hingehen!
https://www.museum-re.de/de/museum/aktuelles/
https://www.museum-re.de/de/museum/aktuelles/
Auch in Frankfurt/Oder war keine Zeit für einen Museumsbesuch. Samstag hin, Sonntag feiern, Montag wieder zurück. Aber die Feier zum Buchhandlungspreis war wirklich herrlich! Rund 100 prämierte Buchhändlerinnen und Buchhändler freuten sich darüber, für ihr Tun belobigt zu werden und wir waren mittendrin. Diesmal wurden wir als „hervorragende Buchhandlung“ ausgezeichnet, sozusagen mit der Bronzemedaille. Wir sind sehr glücklich und dankbar – dankbar auch Ihnen gegenüber: Ohne Sie wäre alles nicht möglich <3 Das Preisgeld fließt in die Markise in der Kinderbuchabteilung und in die Leseförderung. Ich hab‘ schon neue Ideen und freue mich darauf, sie in 2025 umsetzen zu können.
Deswegen füllt sich mein Kalender 2025 tatsächlich schon. Und falls das bei Ihnen auch so ist (kleine Werbeeinblendung …) können Sie sich jetzt einen Schönen aussuchen. Denn seit Anfang der Woche sind die alle möglichen Kalender für 2025 auf dem Mitteltisch „eingezogen“. Ein paar Abreißkalender stehen noch aus und eine kleine Menge Wandkalender auch – aber der Großteil ist schon da. Wobei die erste Kalenderkundin sich schon mit reichlich Weihnachtsgeschenken eingedeckt hat, die sind also auch schon wieder weg.
Bei den Buchbesprechungen für den September sind drei aus Indieverlage, die empfehle ich ja immer besonders gerne. Trotzdem stelle ich in dieser Eulalia an erster Stelle ein Buch aus einem großen Publikumsverlag vor: Das Thema ist wirklich wichtig und das Buch hervorragend … Dafür ist dann das Bilderbuch aus einem kleinen, feinen Wiener Verlag 😉
Kira Mohn: Die Nacht der Bärin
Jule flüchtet nach einem heftigen Streit mit ihrem Freund zu ihren Eltern. Ein bisschen graut ihr davor, sich deren Fragen stellen zu müssen – doch es kommt ganz anders. Durch ein Telefonat erfährt ihre Mutter Anna vom Tod der eigenen Mutter, der Oma, die Jule nie kennengelernt hat. Jule überredet sie, deren Haus zumindest zu besichtigen, und so fahren sie gemeinsam los. Eine Reise in die Vergangenheit beginnt, die auch Jules Beziehung beeinflussen wird.
Die zweite Ebene spielt in den ausgehenden 80er Jahren, hier erzählt Jules damals 12-jährige Tante Maja (von der Jule noch nie gehört hat) von wundervollen Stunden voller Phantasie im Wald gemeinsam mit Anna. Und von entsetzlichen Stunden mit dem gewalttätigen, narzisstischen Vater. Als Anna sich in Jan verliebt und Jan sich in Anna, eskaliert die Situation …
Kira Mohn schreibt diese in manchen Stellen schwer erträgliche Familiengeschichte vollkommen nachvollziehbar, und da ist auch kein Wort zu viel. Zwischen den Kapiteln gibt es jeweils Seiten mit nur einem oder zwei Sätzen - alles Sätze, die vor Narzissmus triefen und den Gegenpart klein und unfähig machen. Im ergänzenden Nachwort gibt es sehr genaue Hinweise, wie Abhängigkeiten entstehen und warum es so schwer ist, gewalttätige Beziehungen zu verlassen. „Die Nacht der Bärin“ ist ein herausragendes Buch über Gewalt in der Familie, welches kein bisschen schnulzig ist, auch wenn der Klappentext uns das weißmachen will.
Verlag HarperCollins, 978-3-365-00655-9, € 24,00
Die zweite Ebene spielt in den ausgehenden 80er Jahren, hier erzählt Jules damals 12-jährige Tante Maja (von der Jule noch nie gehört hat) von wundervollen Stunden voller Phantasie im Wald gemeinsam mit Anna. Und von entsetzlichen Stunden mit dem gewalttätigen, narzisstischen Vater. Als Anna sich in Jan verliebt und Jan sich in Anna, eskaliert die Situation …
Kira Mohn schreibt diese in manchen Stellen schwer erträgliche Familiengeschichte vollkommen nachvollziehbar, und da ist auch kein Wort zu viel. Zwischen den Kapiteln gibt es jeweils Seiten mit nur einem oder zwei Sätzen - alles Sätze, die vor Narzissmus triefen und den Gegenpart klein und unfähig machen. Im ergänzenden Nachwort gibt es sehr genaue Hinweise, wie Abhängigkeiten entstehen und warum es so schwer ist, gewalttätige Beziehungen zu verlassen. „Die Nacht der Bärin“ ist ein herausragendes Buch über Gewalt in der Familie, welches kein bisschen schnulzig ist, auch wenn der Klappentext uns das weißmachen will.
Verlag HarperCollins, 978-3-365-00655-9, € 24,00
Grégoire Solotareff: Ein Bär wie kein anderer
Pablo, genannt Pascha, lebt zusammen mit sechs anderen Bären im Kinderzimmer von Tom. Tom ist nach Paris gezogen, er ist schon groß und den Bären ist es ohne ihn so langweilig, dass sie oft streiten – denn Stofftiere reden heimlich miteinander. Pascha ist anders als die anderen, sein Kopf ist lila, der eine Arm blau, der andere orange, er hat ein grünes Bein und ein gelbes und sein Bauch ist rot. Es ist oft nicht so schön, anders zu sein. Aber wenn er genau so wäre wie alle, dann hätte er diese Geschichte – vom Weglaufen, Angst haben, Gefunden und Umsorgt werden – nicht erlebt …
Ja, Geschichten ähnlichen Inhalts gibt es nicht wenige. Und trotzdem ist „Ein Bär wie kein anderer“ ein rundum gelungenes und empfehlenswertes Bilderbuch! Das liegt an der Sprache, die schön bildhaft und ein wenig umständlich ist. Und an Pascha, der mutig und ängstlich und verwegen ist und ein großes Herz hat. Außerdem sind die Illustrationen ganz und gar herrlich! Je nach Gefühlslage bunt oder eher zurückhaltend, immer mit passendem Pascha-Gesichtsausdruck und so, dass man sie sich als Bild an die Wand hängen möchte. Der Text ist länger, Kinder brauchen schon ein wenig Durchhaltevermögen. (Die Übersetzung stammt von Alexander Potyka – und ich glaube fast, ein Teil des Charmes ist auch ihm zu verdanken.)
Picus Verlag, Übersetzung: Alexander Potyka, 978-3-7117-4039-7, € 18,00
Pablo, genannt Pascha, lebt zusammen mit sechs anderen Bären im Kinderzimmer von Tom. Tom ist nach Paris gezogen, er ist schon groß und den Bären ist es ohne ihn so langweilig, dass sie oft streiten – denn Stofftiere reden heimlich miteinander. Pascha ist anders als die anderen, sein Kopf ist lila, der eine Arm blau, der andere orange, er hat ein grünes Bein und ein gelbes und sein Bauch ist rot. Es ist oft nicht so schön, anders zu sein. Aber wenn er genau so wäre wie alle, dann hätte er diese Geschichte – vom Weglaufen, Angst haben, Gefunden und Umsorgt werden – nicht erlebt …
Ja, Geschichten ähnlichen Inhalts gibt es nicht wenige. Und trotzdem ist „Ein Bär wie kein anderer“ ein rundum gelungenes und empfehlenswertes Bilderbuch! Das liegt an der Sprache, die schön bildhaft und ein wenig umständlich ist. Und an Pascha, der mutig und ängstlich und verwegen ist und ein großes Herz hat. Außerdem sind die Illustrationen ganz und gar herrlich! Je nach Gefühlslage bunt oder eher zurückhaltend, immer mit passendem Pascha-Gesichtsausdruck und so, dass man sie sich als Bild an die Wand hängen möchte. Der Text ist länger, Kinder brauchen schon ein wenig Durchhaltevermögen. (Die Übersetzung stammt von Alexander Potyka – und ich glaube fast, ein Teil des Charmes ist auch ihm zu verdanken.)
Picus Verlag, Übersetzung: Alexander Potyka, 978-3-7117-4039-7, € 18,00
Ich hatte Ihnen versprochen, noch die genauen Vorlesezeiten beim Kinderfest am 20.09.2024 anzugeben – ich werde sowohl um 14.30 Uhr als auch um 15.30 Uhr Bilderbuchkino anbieten. Der Kinderschutzbund hat rund um sein Haus und auf dem Schulhof der Peter-Schöffer-Schule wirklich wahnsinnig viel Schönes auf die Beine gestellt. Mein Beitrag wird Marc-Uwe Klings „Neinhorn“ sein, beide Bilderbücher gibt’s auch für die große Leinwand. Das lässt sich toll vorlesen und sowohl Kindergarten- als auch Grundschulkinder haben ihren Spaß damit.
Vermutlich melde ich mich im September noch einmal: Gerade purzeln die Termine für Anfang November ein. Die werden wieder sehr vielfältig, eine bunte Mischung. Sie werden das ja lesen …
Und: Lesen Sie gut!
Herzlichst Ihre
Lucia Bornhofen
mit dem Team der
Buchhandlung Bornhofen e. K.
Magdalenenstraße 55, 64579 Gernsheim
FON 06258 4242, FAX 06258 51777
HRA Darmstadt 53224
Buchhandlung Bornhofen e. K.
Magdalenenstraße 55, 64579 Gernsheim
FON 06258 4242, FAX 06258 51777
HRA Darmstadt 53224